Quantcast
Channel: Kommentare zu: Schmaler Grat, großer Graben: Einfach Clara und Windows 7
Viewing all articles
Browse latest Browse all 12

Von: Thilo

$
0
0

“Geschichten inszenieren” ist eine Positionierung. Ok. Eine Geschäftsidee. Warum nicht? Andere behaupten, Joghurt mache gesund, ohne dass man ohne Joghurt Mangelerscheinungen hätte. Die Lüge wird in meinen Augen dadurch nicht besser, dass man dafür Geld bekommt.

Fraglich ist aber auch, wie ein Softwarekonzern auf die Idee kommt, sein Geld für solche Späßchen auszugeben. Ich habe im Zuge der Vista-Katastrophe jede Menge Zeit und Geld verloren und bin wegen ziemlich viel Nervkram mit Acer/Windows/Debitel-Surfstick nun erstmals seit 2003 wieder auf Mac umgestiegen. Läuft. Ich bin ziemlich glücklich darüber, nichts mehr mit Windows zu tun zu haben.

Ich würde mein Geld als Softwarekonzern mit diesem Image eher in Usability und Kundenzufriedenheit stecken als in modische PR-Spielchen von Kreativlingen, die sich in UdK-studentischer Manier über marketingphilosophische Fragen die Gehirne verknoten und hochvergeistigt die Realität der Nutzer draußen im Lande wegpriorisieren. Von einer Marketingaussage ausgehen und darauf etwas Fiktionales errichten ist sicher super im Deutschunterricht, aber im Business dabei die Realität zu unterschlagen, ist schon krass. Und mit einem Imageproblem, das aus Usability- und Kundenservice-Problemen herrührt, an der PR-Schraube zu drehen, dürfte auch aus Sicht von IT-Managern oberflächlich sein.

Schöner wäre es zu hören, was um alles in der Welt diesen Softwarekonzern dazu bringt, an allen Kundenbedürfnissen vorbei digitales Storytelling mit (natürlich, was sonst) einer in Lankwitz Publizistik studierenden Kunstfigur zu betreiben und auch ansonsten irgendwelchen Klischees zu folgen, statt das Geld in die Kundenzufriedenheit zu stecken.

Mein Eindruck ist, viele Leute draußen jenseits dieser kreativ-feuilletonistischen Theorie (wie muss man drauf sein, um das Wort “semi-invasiv” zu verwenden?) ärgern sich über Microsoft. Nicht wegen irgendwelcher Fake-Blogs, sondern wegen ihrer Erfahrungen am Rechner, konkret, greifbar, beim Arbeiten, im Alltag. Menschen, deren Mittelpunkt nicht der IT-Bastelkeller ist, sondern die erwarten, dass ein Produkt funktioniert, für das sie Geld ausgeben.

Die Leute werden sich fragen, weshalb der Konzern sein Geld für Schülertheater ausgibt, statt sich endlich mal zu überlegen, wie man den enormen Schaden mal ersetzen könnte, den die vielen Inkompatibilitäten und Probleme anrichten, die dadurch zustande kommen, dass die Industrie vom Kunden verlangt, sich in die Denkstrukturen der Industrie hineinzudenken und derentwegen ich jetzt wieder Mac-User bin. Ich beispielsweise brauche als Entschädigung für meine Vista-Katastrophe keine Internet-Operetten. Ein paar tausend Euro Schadenersatz für die verlorene Produktivität wären angemessen.

Dass es in der Podcast-Episode heißt, man wundere sich, dass es “ins Negative geht”, bezeichnet für mich nur die Realitätsferne der Protagonisten in diesem Spiel. Klar geht es ins Negative, wenn man blind ist für die Realität und ihren Widerhall nicht voraussieht. Aber so sind sie halt drauf, die kreativen Jungs. Und wenn ein Konzern ihnen Geld gibt, damit sie sich was ausdenken, dann machen sie das eben. Und dann erzählen sie halt auch kindlich daher, die mangelnde erforderliche Transparenz der Fiktion liege am großen Monitor.

Wer glaubt sowas? Für allzu viel Weitblick und die Fähigkeit zum Bedenken der Folgen des eigenen Handelns spricht das nicht. Und da fühle ich mich eher wieder an die Denkmuster des Softwarekonzerns erinnert, dessen Produkte ich aus genau diesem Grund des mangelnden Mitdenkens nicht mehr kaufe.

Darum freue ich mich so über meinen Mac: Ein Gerät, das meinen Bedürfnissen entspricht und nicht umgekehrt. Der Hersteller verlangt nicht von mir, dass ich mich auf ein Gerät mit seinen vielen Unzulänglichkeiten einstelle und dafür Verständnis habe und wie selbstverständlich Stunden mit Basteleien zubringe. Was Apple hier macht, vom Kunden aus denken und nicht vom Ingenieur aus, geht nur mit Empathie. Manche haben sie, sehr viele aber haben sie nicht.

Und genau diese Empathie fehlt, wenn jemand zu dieser merkwürdigen “Clara”-Klamotte sagt, der Fake sei nicht versteckt, sondern der Bildschirm sei halt zu groß gewesen. Man verkauft die Leute für blöd und geht außerdem noch davon aus, dass sie es sich gefallen lassen.

Ich bin überzeugt: Marketing, das auf Lügen aufbaut, wird durchschaut.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 12